Wenn die Maske fällt, zeigt Venedig sein wahres Gesicht
Karneval in Venedig: Was ist prächtiger? Die Kulisse des Markusdoms oder die prunkvollen Masken?
Knacke-voll und farbgewaltig: Wenn Venedig Karneval feiert, dann richtig. Ist das die beste Reisezeit?
Es gibt immer gute Gründe dafür und dagegen. Im Sommer Hitze; im Winter Hochwasser … Wer Venedig besucht, sollte für sich ganz entspannt die beste Reisezeit festlegen. Denn wer mag schon Hitze und ausgetrocknete Kanäle? Zu schön ist es, den Gondeln bei der Fahrt zuzuschauen. Zum Beispiel im Winter. Ja, das funktioniert. Auch dann gleiten die beliebten Gondeln durch die Kanäle - vorausgesetzt, der Pegel stimmt. Noch vor einigen Jahren war das anders. Venedig kämpfte jedes Jahr regelmäßig mit den Fluten. Stand das Wasser zu hoch, blieben die Kähne vertaut. Sorgte noch vor wenigen Jahren zwischen Herbst und Frühjahr das „Aqua Alta” für gelegentliche Überschwemmungen, wurde zu Fuß gegangen. Bei mehr als 400 Brücken, die die einzelnen Inseln verbinden, kein Problem. Das Wasser jedoch ergoss sich durch die Gassen und über die Plätze. Was für Touristen ein spektakuläres Fotomotiv ergab, war den Einwohnern ein Graus. Gerade der tiefgelegene Markusplatz stand dann oft komplett unter Wasser. Seit 2021 aber ist ein Flutschutz-System namens MOSE in Betrieb. Das stemmt sich mit 78 tonnenschweren Stahltoren schützend gegen die Gezeiten. Die wasserreiche Adria hat kaum mehr eine Chance, die Lagunenstadt zu überschwemmen. Nix da von wegen nasse Füße! Und so gesehen kann auch der Winter zur besten Reisezeit werden, um Venedig zu erkunden. Vor allem für Romantiker. Denn spätestens im Januar sind die Wolken regenschwer, ist die Stadt – vor allem in den Morgenstunden – in Nebel getaucht. Das ist mystisch schön und entzückt so lange, wie man nicht an Nicolas Roegs Horrorfilm „Don’t look now” („Wenn die Gondeln Trauer tragen”) denkt. Nur im Februar wird der Puls noch mehr erhöht: Wenn der legendäre Karneval in Venedig stattfindet. Aber da geht es um pure Schönheit und Feierlaune.
Knacke-voll und farbgewaltig
Wenn die Schwimmende Stadt (ruht auf mehr als Millionen von Holzpfählen) Karneval feiert, dann richtig. Es wird Maske getragen und dabei ist man nicht kleinlich. Karneval wird in der Lagunenstadt traditionell mit prächtigen Gewändern, viel Mummenschanz und auf illustren Bällen gefeiert. Sie finden in Palästen wie etwa „Palazzo Pisani Moretta” oder „Palazzo Ca’ Vendramin Calergi” statt. Tickets erhält man unter www.veneziaunica.it oder www.eventbrite.com. Sie sollten dringend im Voraus gebucht werden.
Aber auch beim Schlendern wird selbst wer nicht Freund von Karneval ist schnell überzeugt: Zu schön sind die Menschen, die ihr wahres Gesicht hinter kunstvollen Masken verbergen und sich komplett in bunte Gewänder gehüllt haben. Handgefertigte Masken und alles was das Herz eines venezianischen Karnevalisten begehrt, findet man in Geschäften wie „Ca’ Mascana” (San Polo), „Il Canovaccio” (San Marco 2041), „Antica Maschere” (Calle de le Botteghe 3461), „Mask Shop” (Calle delle Botteghe 3) oder „La Bottega die Mascareri” (Calle della Madonna 1989).
Keine Sorge vor zu schicken Auftritten. Wem das eine Nummer zu groß ist, der sollte sich in kleinen Straßencafés umschauen. Dort hängen oftmals Plakate für die intimeren Maskenbälle im privaten Kreis oder kleinen Palästen.
Und danach? Spätestens ab Aschermittwoch legt sich der bunte Trubel wieder. Venedig lässt die Masken fallen und zwischen den Kanälen zieht ein Hauch von Normalität ein. Klar, ganz zur Ruhe kommt Venedig als eine der meistbesuchten Städte der Welt natürlich nie. Und doch ist der Winter spürbar entspannter, wenn weniger Touristen durch die engen Gassen ziehen. Übrigens ist mit nur 53 Zentimetern Breite die Calle Varisco im Stadtteil Sestiere Cannaregio die schmalste Gasse Venedigs. Wer schon alles besichtigt hat, sollte sich diese Gasse nicht entgehen lassen. Aber ab wann bitte hat man in Venedig schon alles gesehen?
Calle Varisco – nur 53 Zentimeter breit.
Platz! Mehr Platz bitte!
Wer schon einmal versucht hat, gemeinsam mit unzähligen lärmenden Reisegruppen den Charme von Canal Grande, Rialto-Brücke und Co. zu erkunden, der weiß, dass weniger oft mehr ist. Heißt: weniger Touristen, mehr Freude an der Stadt. Doch einreihen muss sich, wer in Venedig die Gassen schlendern oder Museen besuchen möchte.
Kürzere Warteschlangen? Kaum vorstellbar. Ob Basilica San Marco (Markusdom) oder Dogenpalast, wer nicht online gebucht hat, muss anstehen, um in die Top-Sehenswürdigkeiten Venedigs zu gelangen! Der Markusdom verlangt 3 Euro Eintritt, und damit kommt man nur in einen Teil der Kirche (mehr kostet mehr). Tipp: Über den Nordeingang (linke Seite des Gebäudes) geht’s kostenlos hinein. Hier ist der Zugang für Gläubige. Es versteht sich von selbst, die Andacht nicht zu stören. Keine Sorge, zum erstaunten Schweigen zwingt schon die byzantinische Architektur. Goldene Mosaike bedecken etwa 8.000 Quadratmeter Decke. Welch’ gigantische Schönheit. Das Altarbild ist mit Edelsteinen besetzt und es gibt noch weitere Schätze. Die birgt die Schatzkammer, nämlich wertvolle Reliquien und Artefakte. Übrigens: Unschlagbar ist auch der Blick von der Dachterrasse des Markusdoms. Spätestens hier oben wird klar, warum dieser Bau eines der bekanntesten Wahrzeichen Venedigs ist. Und dennoch: Der Markusdom reiht sich in die Linie weiterer spektakulärer Bauten ein. So ist das in Venedig.
Auch der Dogenpalast, nur zwei Fußminuten entfernt, ist einen Besuch wert. Allerdings weiß das jeder Tourist. Deshalb ist es gut, ein Onlineticket und damit ein fixes Zeitfenster, zu buchen. Wer sich für einen Rundgang früh am Morgen (ab 8 Uhr geöffnet) entscheidet, sieht die prächtig getäfelten Räume und die unzähligen Kunstwerke darin ohne allzu störendes Gedränge.
Man kennt es selbst: Ist man genervt, bleibt nicht immer Zeit für ein freundliches Wort. Auch Venedigs gestressten Kellnern und Verkäufern ist das nicht fremd. In der Hochsaison sind in der gesamten Stadt die Trattorien und Andenkenläden nonstop gefüllt. Schnell wird da der Service zur Routine. Im Winter bleibt dagegen eher mal Zeit für einen kleinen Schwatz, eine Weinempfehlung oder ein Lächeln zwischen Pizza und Espresso. Man muss sie suchen, die kleinen Orte, wo Gastlichkeit und gute Küche zusammentreffen. Einfach treiben lassen – abseits der bekannten Gassen – und schon öffnen sich Türen zu echten venezianischen Treffpunkten.
Tipps, um der Hektik zu entfliehen
Leiste dir ein Ticket für die Vaporetto (3 Tage 45 Euro, 7 Tage 65 Euro). Wenn dies Wasserbusse von Stadtteil zu Stadtteil oder auf vorgelagerte Inseln schippern, eröffnet sich für uns Touristen ein ganz anderer Blick auf Venedig. Vorteil: Damit kommt man flotter voran, als wenn man alles zu Fuß macht. Außerdem sieht man die Stadt auch vom Wasser aus, atmet frische Meeresluft und mischt sich unter die Einheimischen. Auch ruhigere Bezirke lassen sich bequem erreichen und damit kleine Restaurants, wo vor allem Venezianer speisen. Obendrein spart man sich so das Geld für die sündhaft teure Gondelfahrt. Die sieht man vom Vaporetti regelmäßig und kann sein Venedig-Standard-Foto ganz entspannt in den Kasten bekommen. Ein Schnappschuss aus ruhiger Hand ist garantiert.
Erkunde die weniger bekannten Stadtteile! Während sich viele Tagestouristen vor allem in San Marco und San Polo tummeln, sind die Viertel Dorsoduro (Uni-Gegend), Santa Croceund Canareggio deutlich ruhiger und oft auch günstiger. Gleiches gilt für Giudecca, das sich südlich der Hauptinsel erstreckt, und von wo aus man einen schönen Blick auf Venedig genießt.
Ruhig geht es ganz besonders auf der Friedhofsinsel Cimitero di San Michele zu, die ebenfalls per Wasserbus erreichbar ist. Komponist Igor Strawinsky liegt hier beispielsweise begraben. Nach einem Spaziergang durch die weitläufige Anlage bekommt man vielleicht auch wieder Lust, sich ins lebendige Gewimmel und Gewusel der Touristenstadt zu stürzen.
Darauf solltet Ihr achten!
Venedig erhebt seit Februar 2024 Gebühren für Tagestouristen. 5 Euro muss zahlen, wer hier nicht auch übernachtet. Gebucht kann über Venezia Unica werden. Ein QR-Code dient bei Kontrollen als Ausweis. Aber Auch Automaten oder Schalter am Bahnhof Santa Lucia sowie einige Tabakläden verkaufen den QR-Code gegen Zahlung.
Katrin Fiedler, geschrieben und fotografiert am 20. Februar 2023.