Hamburg: Mit viel Kultur aus der Corona-Kurve
Traditioneller Backsteinsockel mit eisig glänzender Krone – die Elbphilharmonie sorgt für einen unvergesslichen Auftritt.
„Gute Ideen gehören geklaut”, sagt Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda sportlich und blickt dabei zurück zum Wiener Kultursommer 2020, gleichzeitig aber auch nach vorn. Denn nach dem Hamburger Kultursommer wird das Publikum weiter berauscht – bunt und schrill, mal laut, mal leise werden hoffentlich viele Stadtteile weiter bespielt – so die Hoffnung; 55 Stadtteile in den sieben Hamburger Bezirken waren es während des Kultursommers.
Mit hochkarätigen Künstlern warten während des Kultursommers die bekannten Häuser der Stadt auf. So bietet etwa die Elbphilharmonie bis zur nächsten Spielzeit im Herbst ununterbrochen Konzerte. Ein Kraftakt der besonderen Art, eine kulturelle fünfte Jahreszeit, die den Hunger des Publikums nach Hochkultur stillt und Künstler wieder aufleben lässt. Unvergesslich das Liebesmanifest von Sophie Hunger, Faber und Dino Brandão. Die Schweizer musizierten jüngst in der Elbphilharmonie, liebevoll „Elphi” genannt, mit großer Hingabe. Kein Wunder: Sie standen nach langer Zeit das erste Mal wieder auf der Bühne, vor einem Publikum, das vor Sehnsucht äußerst erwartungsvoll war. Ihre Antwort: „Ich liebe dich” – poetisch, ironisch, verletzlich und wunderbar ehrlich.
Alles andere als eine Virus-Schmalspurversion: das Programm von Kampnagel. Das ehemalige Eisenwerk ist ein riesiges Labor für internationale Kulturschaffende. „Unser produktiver Diskurs war ausgeschaltet. Das war das deprimierendste in dieser Zeit”, resümiert Intendantin Amelie Deuflhard. Zu spüren beim Konzert mit dem kanadischen Weltstar Leslie Feist. Verhangene Zuschauerränge, Lagerfeueratmosphäre mit der „Multitudes”-Performerin direkt auf der Bühne, wo sich das Publikum um sein Idol platzieren durfte. „Everybody is on their own” – „Jeder ist alleine” sang sie aus der Mitte mit berührend hoher Stimme und überließ das Publikum sich selbst.
Tipp: Wie die „Elbphi“ lädt auch Kampnagel den gesamten August über zum Internationalen Sommerfestival und geht fließend in den Kulturherbst über.
Augen auf beim MS Dockvill in Wilhelmsburg. Das Musik- und Kunstfestival verführt.
Kunst, Lebensart und Kulinarik unter freiem Himmel
Etwas fürs Auge: Im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg ruft MS Artville zum Kunst gucken und zwar Open Air. Das urbane Kunstfestival stellt sich die Frage „Wie wollen wir morgen leben?”. Und wenn es „nur” Musik sein soll? Dann auf zu MS Dockville. Gleiche Location, viele Floors – tanzen, staunen, träumen. In diesem Sommer etwas verhaltener. Bis 21. August findet „fast ein Dockville” statt. Die Veranstalter tanzen mit dieser abgespeckten Variante vorsichtig aus der Corona-Kurve und fliegen mit dem Publikum auf Sicht. Gemeinsam!
Hamburg vom Wasser aus erleben.
Alsterrundfahrt: Die schönste Art der Stadterkundung in Hamburg
Wo befindet sich der zweitgrößte Hafen Europas? Richtig, in Hamburg. Das macht was her und bringt maritime Atmosphäre in der Großstadt. Wer etwa auf den Landungsbrücken steht und die imposanten Containerschiffe einfahren sieht, wird staunen. Wenn sich die dicken Pötte ihren Weg übers Wasser bahnen und die weltberühmte Elbphilharmonie im Licht strahlt, dann ist das wirklich ein schöner Anblick.
Es geht noch besser: Die schönsten Perspektiven eröffnen sich vom Wasser aus. Vielleicht auch deshalb sind die Hafenrundfahrten so beliebt. Sie starten direkt an den Landungsbrücken und führen durch die quirlige Welt des Hamburger Hafens.
Wer es ruhiger mag, blickt während einer Alsterrundfahrt auf die Stadt. Am Anleger Jungfernstieg laden die Schiffe zu einer ein- oder zweistündigen Rundfahrt über die idyllischen Wasserflächen der Binnen und- Außenalster ein. Erzählt werden viele Geschichten über die Stadt. Die Ausblicke auf mondäne Villen oder Wassersportler, die die Wasserfläche von 164 Hektar (also 230 Fußballfelder) nutzen, gibt's gratis dazu. Die Alster ist 164 Hektar groß. Ganz schön weitläufig. Die Fläche entspricht etwa 230 Fußballfeldern.
Tipp: Inhaber der Hamburg Card erhalten Prozent Rabatt auf mehr als 150 touristische Angebote. Sie garantiert auch die freie Fahrt mit Bus, Bahn und Hafenfähren. Perfekt für eine ausgiebige Stadterkundung!
26 Hektar groß, voller Fleete und Brücken. Backstein prägt die Hamburger Speicherstadt.
Speicherstadt: Den weltgrößten historische Lagerhauskomplex hautnah erleben
Kaum zu glauben, aber einst war jede zweite Straße Hamburgs eine Wasserstraße. Wer heute durch die Speicherstadt, bekommt einen Eindruck davon. Früher lebten hier 20.000 Menschen, darunter bekannte Persönlichkeiten wie der Philosoph Arthur Schopenhauer und der Dichter Gotthold Ephraim Lessing. Später wurden Einwohner umgesiedelt und die imposanten neugotischen Backsteinhäuser als Lagerhäuser errichtet. Heute ist diese unverwechselbare Speicherstadt ein denkmalgeschütztes Viertel. Die Erkundung des weltgrößten historischen Lagerhauskomplex ist auf verschiedene Weise möglich: zu Fuß, während einer Hafenrundfahrt oder während eines Besuchs in einem der zahlreichen Museen.
Einen Besuch wert:
Speicherstadtmuseum, Lagerhaus am Sandtorkai (Geschichte der Speicherstadt)
Internationales Maritime Museum im Kaiserspeicher B in der HafenCity (Schifffahrtsgeschichte)
Miniatur Wunderland, Kehrwieder 2 bis 4 Block D (größte Modelleisenbahn der Welt)
Hamburg Dungeon, Kehrwieder 2, (interaktives Gruselmuseum)
Kaffeemuseum Burg, St. Annenufer 2 (traditionellen Kaffeerösterei)
Auch Spiegel-Legende Augstein speiste hier. Austern und me(e)hr: das „Cölln’s”
Mahlzeit!
Sieht ein wenig wie ein Küchenunfall aus, wird aber von echten Nordlichtern hochgehalten: Labskaus. Das Arme-Leute-Essen war einst ein Seemannsgericht. Der Brei aus gepökeltem Rindfleisch, eingelegter Roter Beete, Zwiebeln und Kartoffeln war gut haltbar. Obendrauf ein Matjes und ein Spiegelei und schon sah das Labskaus essbar aus. Ist er auch, sagt fast jedes Hamburger Kind. Auch der Hamburger Slow-Food-Koch Sebastian Junge (Uhlenhorster Bio-Restaurant „Wolfs Junge”). Er ließ sich von seiner Mutter inspirieren und interpretierte das Gericht neu. Das ist nur eine Facette kulinarischer Verlockungen in der Hansestadt. Die Auswahl an Restaurants mit verschiedenen Offerten scheint schier unendlich zu sein; darunter sehr alte Traditionshäuser wie die „Austernhandlung von Johann Cölln”. Im Souterrain des Hauses am Brodschrangen Nr. 1 eröffnete 1760 der Hamburger Fischhändler Hinrich Brügmann ein Geschäft und verkaufte Austern. Bis zum heutigen Tag ist dieser Ort trotz wechselvoller Geschichte erhalten und tischt den Gästen im „Cölln’s” Fischspezialitäten auf. Die 1898 installierten, handbemalten Jugendstil-Wand- und Bodenfliesen von Villeroy & Boch sind einmalig und können noch immer bewundert werden. Gäste wie etwa Kaiser Wilhelm II., Otto von Bismarck oder Zar Nikolaus II und Hans Albers dürften bei ihrem Besuch über Gaumen- und Augenschmaus entzückt gewesen sein.
Tipp: Hamburg hat eine vielfältige Esskultur. Einfach durch die Stadt streifen, einkehren und probieren. Labskaus gibt’s übrigens auch in der gehobenen Gastronomie.
Hamburgs Corona-Regeln: AHA-Regeln, geimpft, getestet, genesen in geschlossenen Räumen, Kontaktnachverfolgung. Auf Ihren Webseiten weisen die Veranstalter auf ihre Vorschriften konkret hin.
Ausführliche Infos gibt’s auf der Hamburg Tourismus-Seite.
#update: Ein Jahr später schloss das „Cölln’s”. Heute befindet sich hier ein japanisches Restaurant.
Katrin Fiedler, geschrieben und fotografiert am 7. August 2021.