Antwerpen: üppige Damen, Diamanten & Bier
Mitten auf Antwerpens schönsten Platz, dem Grote Markt, befindet sich das Wahrzeichen der Stadt: der Brabobrunnen.
Noch heute ist die Hauptstadt Flanderns der wichtigste Diamanten-Handelsplatz der Welt. Antwerpen steht aber auch für Bier und Kunst.
Endstation Antwerpen? Nein! Denn eine Ankunft ist erst der Beginn einer schönen Tour durch die Diamantenstadt. Willkommen im Antwerpen-Centraal, einem funktionalen wie opulent dekorierten Bahnhof mit einer Mischung aus Neorenaissance, Barock und Art Nouveau. Die Sinjoren (so lautet der Spitzname für die Antwerpener, der auf die spanische Herrschaft im 16. Jahrhundert zurückgeht) nennen ihn liebevoll „Eisenbahnkathedrale”. Denn an prächtigen Türmen und Ornamentik mangelt es in diesem Terminal nicht. Auch deshalb wurde er mehrfach zu einem der schönsten Bahnhöfe der Welt gewählt.
Wer aus dem Antwerpen-Centraal raustritt, steht quasi mitten im Diamantenviertel. Rund um die Hoveniersstraat, Pelikaanstraat, Schupstraat und Rijfstraat wird der wertvolle natürliche Rohstoff gehandelt. Es heißt, dass die belgische Stadt eines der wichtigsten Zentren für Diamantenhandel ist und etwa 80 Prozent aller Rohdiamanten verkauft.
Schelde und Nordsee – die Lage macht’s!
Wo Wasser ist, erweitern sich die Transportmöglichkeiten und so landeten in Antwerpen Waren aus Afrika, Asien und Amerika verschifft. Gewürze, Seide, Wein, Zucker, Getreide, Wolle und Diamanten: Kaufleute ließen sich nieder und entwickelten Antwerpen zu einer florierenden internationalen Handelsmetropole. Vom einstigen Reichtum künden noch heute die prächtigen mittelalterlichen Gildehäuser am Hauptplatz von Antwerpen auf dem Grote Markt. Sie wurden im 16. und 17. Jahrhundert erbaut. Die aufwendigen Fassaden und vergoldeten Skulpturen sind ein echter Hingucker. Unübersehbar erinnert hier der flämische Renaissance-Stil ans „Goldenen Zeitalter” dieser Handelsmetropole. Eines der Meisterwerke ist das Rathaus.
Antwerpen – Heimat Peter Paul Rubens
Nur eine Minute zu Fuß geht’s durch die Gassen weiter zur Liebfrauenkathedrale. Unübersehbar ist ihr 123 Meter hoher Turm. Ihre Fassade gilt als eine der schönsten Kirchenfassaden Europas.
In der monumentalen gotischen Kirche faszinieren vor allem die vier Gemälde Peter Paul Rubens. Der vielseitig interessierte Flame, der gerne üppige Damen malte, lebte und starb in Antwerpen. Sein Wohnsitz dient heute als Museum, und so mancher Gast staunt dort über die Geschichte. Wer weiß das schon, dass der berühmte Barockmaler auch Diplomat der spanisch-habsburgischen Krone war?
Übrigens entwarf Rubens sein Haus selbst, im Stil einer italienischen Renaissance-Villa. Klar, lebte der Maler zwischen 1600 und 1608 als Hofmaler in Italien. Licht, Farben, Dynamik und monumentale Figuren, der Meister fand nach seinem Aufenthalt im einstigen Zentrum der Kunstwelt zu einem einzigartigen neuen Barockstil. Das Üppige stand für Wohlstand, Gesundheit und Fruchtbarkeit. Rubens’ Damen strahlen vor Sinnlichkeit und erinnern an die Antike und Renaissance. Es lohnt sich also, die Villa von innen zu sehen und mehr über den flämischen Künstler zu erfahren.
Technisches Meisterwerk unterm Wasser
Zehn Minuten zu Fuß entfernt führt südlich der Kathedrale der Sint-Anna-Tunnel durch den Fluss. Wer hier die hölzerne Rolltreppe nutzt, läuft wenig später mehr als 30 Meter tief unter der Erde etwa 600 Meter weit auf die andere Uferseite.
Beeindruckend ist nicht nur die Originalität des 1933 eingeweihten Tunnels, sondern auch der Blick auf die Skyline von Antwerpen. Die komplett erhaltenen Holzrolltreppen sind noch immer in Betrieb und gelten als technische Meisterwerke der 30er. Einheimische gehen oder radeln unter der Schelde von einem Ufer zum anderen. Touristen, die nach einem Geheimtipp und Perspektivwechsel suchen, sind hier ebenso richtig.
Belgien – Paradies für Bierliebhaber
Stadtspaziergänge machen auch durstig und nicht jeder Biertrinker möchte dann einen Saft serviert bekommen. Keine Sorge: Frisch Gezapftes gibt es fast überall. Schließlich hat Belgien mit mehr als 1.600 Biersorten eine der größten Bierauswahlen weltweit. Braukunst, das ist bekannt, gab es im Königreich schon im Mittelalter. Gebraut wurde in Klöstern. Wo sonst?
Lust auf eine Biertour durch die Stadt? Eine beachtliche Bierkarte, nämlich mit mehr als 800 Biersorten, bietet die Kultkneipe „Kulminator”. Die Atmosphäre ist urgemütlich und schnell kommt man mit den Einheimischen ins Gespräch. Wie lautete nochmal ihr Spitzname? Richtig: Sinjore! Fragt sie mal wie ein 30 Jahre altes Bier schmeckt. Besser noch, probiert es selbst!
Wie kommt das Bier in die Flasche? Nun, in Antwerpen könnt Ihr die Kunst des belgischen Brauens direkt studieren. Zum Beispiel bei einem interaktiven Besuch in der Stadtbrauerei De Koninck. Nur wenige 100 Meter vom Sint-Anna-Tunnel entfernt fährt die Straßenbahn Nummer 4 zur Brauerei. Die Fahrt dauert nur 25 Minuten und schon kann man sich Antwerpen vorzüglich auf der Zunge zergehen lassen – bei einem echt leckeren belgischen Bier direkt nach der Brauereiführung. Die interaktive Tour durch verschiedene Räume solltest du dir jedoch nicht entgehen lassen. Wer denkt, schon alles über Brauereivorgänge zu wissen, lernt auf jedenfall in Sachen Servieren hinzu. Denn genauso wie beim Wein hat jedes Bier sein ganz eigenes Glas, damit es seine Eigenschaften voll entfalten kann.
Einmal auf der linken Uferseite angekommen, wird man mit dem Blick über die Schelde auf die Altstadt Antwerpens belohnt.
Tipps für einen Antwerpen-Trip
Diamantenkauf: Achtet auf das Zertifikat von anerkannten Instituten wie HRD oder GIA, bevor Ihr mit einer Tasche voller Diamanten den Laden verlässt. Handelt kräftig und fragt nach der Herkunft und Qualität des Klunkers.
Grote Markt: Das prächtige Rathaus von Antwerpen kann täglich von 9 bis 18 Uhr besichtigt werden. Besichtigungen und Führungen können unter Experience Antwerp gebucht werden. Das gilt auch für Stadtrundgänge, Museen und vieles mehr.
Rubens-Museum: Es befindet sich Wapper 9 bis 11. Voraussichtlich wird das Museum bis 2027 renoviert und ist daher geschlossen. Werke von Rubens werden auch im Königlichen Museum der Schönen Künste präsentiert. Leopold de Waelplaats. Ausführliche Infos gibt’s unter kmska.be
Sint-Anna-Tunnel: Wer diesen Retro-Tunnel durchquert, blickt vom linken Ufer auf die Altstadt, sieht den Turm der Kathedrale und kann den Sonnenuntergang genießen. In der Altstadt, Sint-Jansvliet, befindet sich der Eingang mit den Holzrolltreppen. Auf dem linken Ufer geht man bei Beagrijslaan hinab in den Tunnel.
Biergenuss: In der Kultkneipe „Kulminator”, Vleminchveld 31, wird mit Kreditkarte bezahl. Öffnungszeiten und Infos sind im European-Barguide zu finden.
Die Bierbrauerei De Koninck, Mechelsesteenweg 291 ist ein interaktives Besucherzentrum, wo kurzweilig alles Wissenswerte rund ums belgische Bier vermittelt wird. Eine Reservierung ist zu empfehlen.
Port House Antwerpen: Ein wenig vom Schiff, ein wenig vom glitzernden Diamanten – so setzt sich der futuristische Neubau auf die ehemalige Feuerwache. Es ist eine gelungene Verbindung aus Tradition und Moderne und ein beliebtes Fotomotiv.
Das Hafenhaus (Zaha Hadidplein 1) ist ein architektonisches Meisterwerk. Einblicke ins Hafentreiben bieten geführte Touren. Auskünfte gibt’s auf experienceantwerp.be
Vorsicht: Wer mit dem Auto nach Antwerpen fährt und glaubt, mit seiner Umweltplakette sicher zu sein, der irrt. Kameras lesen das Kennzeichen aus, sobald man in eine umweltgeschützte Zone fährt und schon droht ein saftiges Bußgeld. Nicht so, wenn das Kennzeichen, Personaldaten, gültige deutsche Umweltplakette vorher bei der Stadt Antwerpen schriftlich angemeldet worden sind. Das gilt übrigens auch für andere Städte. Wie’s funktioniert, verrät der ADAC.
Katrin Fiedler, geschrieben und fotografiert am 14. Oktober 2021.